Was unterlag in der DDR einer solch strengen Geheimhaltung, dass diese selbst vor dem eigenen Sicherheitsapparat nicht Halt machte? In seinem neuen Buch „Geheime Depots im Wismut-Schacht“ deckt der Regionalforscher und Lokalreporter Mario Ulbrich Vorgänge im Erzgebirge 1990 auf, die selbst mit der mitteldeutschen Geschichte vertraute Zeitgenossen in Staunen versetzt. Hier mehr erfahren.

    Das Erzgebirge im Herbst 1989, kurz vor dem Mauerfall: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion rollen mehrere Lkw zu einem Stollen des DDR-Uranbergbauunternehmens Wismut am Rande der Stadt Schneeberg. Streng bewacht vom Stasi-Eliteregiment „Feliks Dzierzynski“, haben sie eine geheime Fracht an Bord, die von Männern der Staatssicherheit ins Erdinnere verbracht wird.

    Es folgen weitere Transporte bis ins Jahr 1990 hinein. Stets fahren die streng abgesicherten Lastkraftwagen durch die erzgebirgischen Dörfer Hartenstein und Wildbach, um dann kurz vor Schneeberg links in den Wald abzubiegen. Ihr Ziel ist der Schacht 311 der alten Wismut AG, die 1954 in SDAG umbenannt wurde.

    Die Abkürzung bedeutet Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft. Man hatte damals alle Wismut-Anlagen übernommen, die neue Gesellschaft war allerdings nicht direkter Rechtsnachfolger der AG. Das Aktienkapital wurde bei Gründung auf zwei Milliarden Mark festgesetzt, wovon die DDR und die UdSSR jeweils die Hälfte besaßen. Der Arbeiter- und Bauernstaat musste ihren Anteil allerdings in Raten von jeweils 200 Millionen Mark pro Jahr von der Sowjetunion kaufen. Wer tatsächlich den Ton angab, dürfte klar sein.

    Neue Dokumente, erstmals veröffentlicht

    Doch warum transportierte man heimlich Kisten in einen der alten Wismut-Schächte? Und was hatte das Ministerium für Staatssicherheit damit zu tun? Und was geschah 1989 wirklich, nachdem die letzte Aktion um fast ein Jahr verschoben und kurz vor der Wiedervereinigung noch rasch über die Bühne gebracht wurde?

    Schnell machten Gerüchte die Runde, dass in dem alten Schneeberger Schacht Stasi-Akten versenkt worden sein sollen. Doch das ist, wenn überhaupt, nur die halbe Wahrheit, wie der erzgebirgische Heimatforscher und Lokalreporter Mario Ulbrich in seinem brillant recherchierten Buch „Geheime Depots im Wismut-Schacht“ nachweist.

    Ulbrich, Jahrgang 1964, stammt aus Zwickau, lebt seit 1975 im Erzgebirge und ist seit Ende der 1980er Jahre journalistisch tätig. Seine Passion ist die Regionalgeschichte des sächsisch-böhmischen Mittelgebirges. Für sein neues, reich bebildertes Buch spürte er den mysteriösen Vorgängen von 1989/90 nach und wertete dabei über 500 Seiten aus Stasi-Akten und andere Dokumente aus, die ihm von der heutigen Wismut GmbH zur Verfügung gestellt wurden und die er in seinem Werk präsentiert. Darüber hinaus befragte er mehrere Zeitzeugen, die ihm die Wahrheit über die geheimen Operationen in Schacht 311 erzählten.

    Nie für die Öffentlichkeit bestimmt

    Tatsächlich befanden sich in den Kisten, die in dem Stollen bei Schneeberg versteckt wurden, Milliarden von Ostmark – neben ausgemusterten Banknoten auch Fehldrucke aus der Wertpapierdruckerei Leipzig. Der Schacht war 1989 – wie schon zuvor im Jahr 1984 – von der DDR-Staatsbank geöffnet worden, um die Geldscheine zu entsorgen. Doch in den Lastern, die später zur Wismut fuhren und vom Regiment „Feliks Dzierzynski“ bewacht wurden, befanden sich ganz andere Dokumente, die nie jemand zu Gesicht bekommen sollte.

     

    Das hat auch funktioniert, denn heute wächst über dem Schacht der Wald. Das Wasser, das im kilometerlangen Geflecht des Wismut-Untergrundes unaufhörlich steigt, hat inzwischen auch den Schacht 311 erreicht und all das vernichtet, was in ihm seit Jahren ruhte. Darüber steht nun eine Wassersäule von rund 330 Metern.

    Und doch ist es Ulbrich gelungen, anhand geheimer Akten und Dokumente ziemlich genau zu rekonstruieren, was damals vor sich ging und weswegen die Papiere, die unter der Erde versenkt wurden, nie mehr ans Tageslicht kommen sollten. In der Neuerscheinung „Geheime Depots im Wismut-Schacht“ präsentiert er seine sensationellen Forschungsergebnisse.

    Die Phantom-Geldscheine

    Ulbrichs Buch „Geheime Depots im Wismut-Schacht“ richtet sich nicht nur an Menschen mit Interesse an erzgebirgischer Regionalhistoriker, sondern an Geschichtsinteressierte allgemein – und an Leser, die sich gerne mit geheimnisvollen und rätselhaften Vorgängen befassen, von denen die breite Öffentlichkeit kaum Notiz nimmt.

    Neben den Ereignissen rund um Schacht 311 vermittelt es zudem Wissenswertes über die Geldproduktion der DDR für befreundete Staaten, die Werttransporte des Ministeriums für Staatssicherheit und über den 200- und den 500-Mark-Schein der DDR – zwei Phantombanknoten, die millionenfach gedruckt, aber nie unters Volk gebracht wurden. Ein ebenso spannendes wie informatives Sachbuch, das ein längst in Vergessenheit geratenes Kapitel unserer jüngeren Geschichte ausleuchtet.

    Mario Ulbrich, „Geheime Depots im Wismut-Schacht – Wie die Stasi im Erzgebirge Milliarden versenkte“ (144 Seiten, gebunden, durchgehend farbig illustriert, zahlreiche bislang unveröffentlichte Fotos und Dokumente). können Sie hier bestellen.

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