Als Reporter an der Ostfront. Besuch im Kriegsgebiet: Die Beziehungen zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Front haben seltsame, oft kuriose Formen angenommen. Man schießt aufeinander, dann hilft man sich wieder. Ein Auszug aus der Juli-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Deutschland den Deutschen». Hier mehr erfahren.

    _ von Ilia Ryvkin

    «Krieg ist Schlamm, Kälte, Schmerz und Ungerechtigkeit, willst du das sehen?» Wir fahren in einem schwarzen Geländewagen über eine frisch geteerte Straße, die im Tau der Nacht glänzt. Mein Fahrer ist ein großer rothaariger Grieche, aufgewachsen im Donbass. An seinem Handgelenk baumelt eine goldene Uhr. Um seinen Hals hängt eine massive Goldkette. Unter seinem T-Shirt mit dem Logo einer Baseballmannschaft versteckt sich ein großes Kreuz. So würde ein Rapper im Westen aussehen. Nein, mein Fahrer mag keine Rap-Musik, er mag die sanften Lieder dieses Landes, sanft und zugleich herb wie die hiesigen Weine und Schnäpse.

    «Rap, Techno, das ist nicht unser Ding», sagt er mir, «wir treffen uns gerne mit Freunden oder Familie, auch mit den Nachbarn. Die Frauen machen Salat und die Männer grillen Spieße. Die Mutter bringt den Schnaps aus dem eigenen Garten mit. Abends singen wir zusammen Karaoke über Liebe und Freundschaft.» (…)

    Zeitreise in die UdSSR

    Felder. Waldgürtel. Obstgärten. Es ist vier Uhr morgens. Der Schlaf kommt in Wellen, gekleidet in verschiedene Tarnuniformen, wie die Soldaten, die am Rostower Bahnhof herumlungern, wo wir abgeholt wurden. Jakuten. Fallschirmjäger. Gendarmerie. Motorisierte Schützen.

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    Eine neue Tankstelle taucht aus dem lila Dunst auf. Ich gehe raus, um Energy Drinks zu kaufen. Die Verkäuferin ist so freundlich, wie es um diese Tageszeit möglich ist. Es stellt sich heraus, dass man hier schon mit russischen Karten bezahlen kann. Mit spätem Bedauern fällt mir ein, dass ich vergessen habe, russische Kippen mitzunehmen. Die hiesigen kann man nicht rauchen. Eine Art afrikanischer Tabak, der in Armenien verpackt wird, heißt es. (…)

    Die Topografie ist sowjetisch, ebenso die Architektur, von pseudoklassizistischen Verwaltungsgebäuden über die stalinistischen Kulturhäuser bis hin zu den fünfstöckigen Blockbauten Chruscht­schows. Wenn man sich diese Gebäude ansieht, wird die Absurdität der Versuche der ehemaligen ukrainischen Behörden, oder wer auch immer dahintersteckt, den Donbass zu entsowjetisieren, deutlich.

    Ich persönlich bin kein Fan des Sowjetismus, aber in dieser Region gab es nun einmal nichts anderes. Das zwanzigste Jahrhundert hat Russland rot gefärbt, davor wehte hier nur der Wind in der Wildnis.

    Außer mir und dem Fahrer sitzt noch eine dritte Person im Auto. Der Mann ist dünn und hat ungewöhnlich große Augen. Er schweigt meistens, aber wenn er etwas sagt, spricht er laut und mit Nachdruck. Ich deute das als Zeichen einer Gehirnerschütterung. Er ist in Odessa geboren, war im russischen Widerstand und kämpft jetzt im Donbass. «Arbeitet», wie man hier für «kämpfen» sagt. (…)

    Er verließ die Ukraine in einem Fahrzeug des ukrainischen militärischen Sonderdienstes, nachdem er der zuständigen Person einen Geldbetrag übergeben hatte. Er wurde durch alle Absperrungen und Kontrollpunkte gefahren und an der Kontaktlinie hinausgeworfen. «Die Ukraine», sagt er, «ist das Gebiet des triumphierenden Anarcho-Kapitalismus. Libertäre aus der ganzen Welt können da hin und sehen, wie ihr Traum in echt aussieht.»

    Wodka verbindet

    Laut seinen Erzählungen nehmen die Beziehungen zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Front in diesem Krieg seltsame, oft kuriose Formen an, unabhängig von strategischen und geopolitischen Dominanten.

    «An einem ruhigen Ort gibt es eine Grenze am Fluss», begann er eine seiner Anekdoten zu erzählen, «da haben die Ukrainer ihre Mobilisierten. Du kennst sie doch, so Typen unbestimmten Alters, mit Bierbäuchen, die immer älter aussehen, als sie sind, ungepflegt, und ihre Frauen sind immer fett? Von diesem Kaliber, Mobilisierte oder Heimatschutz. Also sind sie gleich zu ihrem üblichen Geschäft übergegangen. (…)


    An der Grenze war alles ruhig, aber dann gab es plötzlich ein Problem: Sie bekamen ein Alkoholverbot! Diese Ukrainer haben eine Flasche an einen Haken gehängt und ans russische Ufer geworfen, in der Flasche war ein Zettel, auf dem stand, dass sie Wodka kaufen wollten. Unsere Dorfbewohner – die sind vom gleichen Kaliber, die bescheißen sich nie – werfen den Wodka auch mit ‘ner Angel über den Fluss.  (…)

    Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Juli-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Deutschland den Deutschen». Hier bestellen.

    4 Kommentare

    1. "Wodka verbindet
      Laut seinen Erzählungen nehmen die Beziehungen zwischen den Menschen auf beiden Seiten der Front in diesem Krieg seltsame, oft kuriose Formen an, unabhängig von strategischen und geopolitischen Dominanten. …"

      Slawen, Slawen, über Moskau, über Kiew! Wenn sie wenigstens die russische und amerikanische Oberherrschaft über ihre Siedlungsgebiete infrage stellen würden, den ersatznationalen Siegeskult Putin-Russlands über das Großdeutsche Reich sowie dessen Gleichnis in FR/GB/VSA, das anzuzweifeln in der so bezeichneten Russischen Föderation unter Strafe steht. Vom sog. „Westen“ müssen wir gar nicht anfangen. Europas Wiedergeburt fängt mit der Freimachung von der Nachkriegsordnung an. Wenn die slawischen Völker von den alten germanischen Europa-Völker lernen wollen was diesen Kontinent ausmacht, dann müssen sie ihre jeweilige Oberherrschaft infrage stellen.

    2. Echt russische Idylle. Wem es gefällt, der gehört nach Russland. Aber Deutschland gehört nicht nach Russland.
      Russen angeln gern, es bessert die Diät aus Sonnenblumensamen u. Roter Beete auf. In meinem Dorf haben 2 Russen jahrelang mit Leuchtposen im Dunklen geangelt, schwarz natürlich.

      • Fischers Fritz am

        …und dir Russenhasser hoffentlich die besten Fische weggefangen. Petri Dank. :-)

        • Hatten wir schon mal. Ich hasse Russen nicht, solange sie 1000 Meilen Abstand halten, einzelne Individuen sowieso nicht.
          Ich angle auch nicht im Aufzuchtteich des Fischers, wie die beiden o.a. Iwans.