Sowohl im Spätmittelalter wie in der frühen Neuzeit gehen entscheidende Impulse für die deutsche und europäische Geschichte von der heutigen tschechischen Hauptstadt aus.  Hier lesen Sie den zweiten Teil einer Serie zur sudetendeutschen Geschichte. Den ersten Teil können Sie hier lesen. Die Vertreibung von über 14 Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland zählt zu den größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts. In der BRD-Erinnerungskultur findet ihr Leid keine angemessene Würdigung. Darum wollen wir an ihr Schicksal erinnern. Hier mehr erfahren.

    Die 1310 erfolgte Heirat der Premyslidentochter Elisabeth mit dem Grafen Johann bringt das Haus Luxemburg in Böhmen an die Macht. Dieser wird anfangs noch von den Böhmen als „König Fremdling“ bezeichnet, doch die Luxemburger gewinnen mit der Zeit das Vertrauen des Volkes. Sie stellen im Reich nun mehrere Kaiser, darunter auch Karl IV, der das Land zu einer bislang unerreichten Blüte führt und hier als „Vater des Vaterlandes“ verehrt wird.

    Karl IV.: „Vater des Vaterlandes“

    1348 wird in Prag die erste deutsche Universität gegründet. Martin Luther wird sich 1521 bei seiner Übersetzung der Bibel am Kanzleideutsch orientieren, das damals in der Goldenen Stadt verwendet wurde. In Prag entstehen mit dem Veitsdom und der Karlsbrücke jene Bauwerke, die bis heute das Gesicht dieser wunderschönen Stadt bestimmen. Der Kaiser, so sein Biograph Ferdinand Seibt, habe „ständig Baulärm un sich verbreitet“, so sein Biograf Ferdinand Seibt. Selbst die heißen Quellen von Karlsbad soll er auf der Jagd entdeckt haben.

    In die Zeit der Regentschaft Karls IV wird auch die Goldene Bulle erarbeitet, die als das wichtigste Verfassungsdokument des mittelalterlichen Deutschen Reiches gilt. Sie regelte die Modalitäten der Kaiserwahl und blieb bis zum Untergang des Ersten Reiches im Jahr 1806 gültig. Karl verankerte in dem Dokument, dass die Kurfürsten neben Deutsch und Latein auch Tschechisch und Italienisch sprechen können sollten – er wollte also hochgebildete Entscheidungsträger heranziehen.

    Blick auf Prag. Foto: Mistervlad I Shutterstock.com.

    Am Ende des 14. Jahrhunderts sind nach den Pfarreilisten des Erzbistums Prag Böhmen und Mähren zur Hälfte deutschsprachig. Doch der Beginn der Neuzeit bringt dann einen folgenschweren Gewaltausbruch.

    Schlachtfeld des Glaubens

    Am 6. Juli 1415 wird der tschechische Reformator Jan Hus in Konstanz mitsamt seinen Schriften verbrannt – ein glatter Justizmord. Seine Anhänger, die Hussiten, reagieren darauf ihrerseits nun mit fürchterlichen Massakern. Sie werden sehr oft an den im Regnum Bohemiae siedelnden Deutschen begangen, die fürchterliche Verluste erleiden. Böhmens goldenes Zeitalter ist beendet, stattdessen wird das Land zum Zentrum eines frühen Glaubenskrieges. Er wird über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren mit unterschiedlicher Intensität betrieben. Immer wenn er befriedet scheint, flammt er erneut wieder auf.

    Die Großtat des Johannes Kepler

    Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wird Prag zum Zentrum der Wissenschaft. Der von unbändiger Sammelwut besessene habsburgische Kaiser Rudolf II. ist ein großer Förderer von Künsten und Wissenschaften und besonders interessiert an Grenzwissenschaften wie der Astrologie und der Alchemie. Von dem berühmten Rabbi Löw, der als Schöpfer des Golems gilt, soll er sich die Seelen der verstorbenen Kaiser heraufbeschworen haben lassen.

    Aber Rudolf holt mit dem Dänen Tycho Brahe und dem Schwaben Johannes Kepler auch einige der bedeutendsten Naturwissenschaftler ihrer Zeit nach Prag. Kepler entdeckt in seiner Stellung als kaiserlicher Mathematiker in Prag die drei Keplerschen Gesetze, die die Umlaufbahnen der Planeten um die Sonne beschreiben und die zu den wichtigsten naturwissenschaftlichen Entdeckungen gehören, die je gemacht wurden – ohne sie wäre die Entwicklung der modernen Astronomie nicht möglich gewesen.

    Wallensteins Musterstaat

    Am 23. Mai 1618 werfen Vertreter der protestantischen Stände zwei kaiserlich-habsburgische Statthalter sowie den Kanzleischreiber aus dem Fenster der Prager Burg. Keiner ahnt damals, dass dies zum Auslöser eines der fürchterlichsten Kriege der Menschheitsgeschichte wird. Doch die Lage eskaliert, als die Aufrührer den von calvinistischen Eiferern beeinflussten pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. im August 1619 zum neuen Träger der Wenzelskrone wählen.

    In Wien fühlt man sich auf maximale Art und Weise herausgefordert. Katholische Truppen beenden dann schon am 8. November 1620 mit ihrem Sieg in der Schlacht am Weißen Berg den beginnenden Dreißigjährigen Krieg in Böhmen, der dafür in den anderen Teilen des Reiches weitertobt. Der überragende militärische, organisatorische und politische Kopf auf kaiserlicher Seite ist der General Albrecht von Wallenstein.

    Wallenstein in seinem letzten Feldlager. Malerei von Rudolf Otto Ritter von Ottenfeld (1856–1913), das um 1913 entstand. Bild: CC0, Wikimedia Commons

    Zwischen 1621 und 1635 baut er sein von Kaiser Ferdinand II. gestiftetes Herzogtum Friedland, das etwa ein Fünftel des böhmischen Territoriums umfasst und zu zwei Dritteln von Deutschen besiedelt wird, zu einem frühneuzeitlichen Musterstaat auf. Dieses „terra felix“ („glückliches Land“) produziert massenweise Lebensmittel (hier wird der Zwieback erfunden), Kleidung, Waffen und Munition für die Kaiserliche Armee und begründet den Ruf der Sudetendeutschen als „Industrievolk“, so der Historiker Emil Franzel.

    Hier lesen Sie den zweiten Teil einer Serie zur sudetendeutschen Geschichte. Den ersten Teil können Sie hier lesen.

    Die Vertreibung von über 14 Millionen Deutschen aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland zählt zu den größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts. In der BRD-Erinnerungskultur findet ihr Leid keine angemessene Würdigung. Darum wollen wir an ihr Schicksal erinnern. Hier mehr erfahren.

    6 Kommentare

    1. Peter vom Berge am

      "Schlachtfeld des Glaubens"

      Die damaligen Glaubenskriege erinnern mich an die heutigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Heute nutzen die amerikanischen Besatzer diese "politischen" Glaubenskriege, um im Windschatten dieser Beschäftigungs-Therapie für die Eingeborenen ihr eigenes Süppchen zu kochen.

    2. Calvinistische Ideologie, wonach nur Gott allein erlöse, bedeutet: Papst überflüssig; bürgerliche Tüchtigkeit entscheidet.

      Karl IV. (Luxemburger Dynastie) wurde mit einer bayerischen Landesausstellung als "Kaiser ohne Kriege" geehrt.

      Nicht zu verwecheln mit (lt. Dr. Friedrich Hielscher, "Das Reich":) "Karl dem Schlächter", Dauerkrieger gegen Germanenstämme, der das Vorbild von Adolf Hi.ler und der EU-Kommission ist.

      • Ohne Karl den Großen und seine fränkischen Eroberungen hätte es Deutschland nie gegeben. Ehre dem Andenken des ersten Kaisers des christlichen Abendlandes.

        • Der Christengott, ein "wesensgleicher" Ableger des Antigoliathgottes, ging schon oft über Leichen für Globalherrschaft, der Gott von Ferdinand 2, Winston, Adolf, Wladimir und Wolodomir, Faeser, Biden, Merkel, Goering-Eckart und sonstigen schön maskierten Entfremdern und Vernichtern. Er hat sich auch in Teilen der AfD eingeschlichen. Flaggen, ob schwarz-weiß-rot oder schwarz-rot-gold, missbraucht als pseudo-deutsche Hüllen, als trojanisches Pferd mit versteckter Feindschaft gegen fast alle Völker? Scheindeutsche laufen masochistisch fremden Vernichtungsprinzipien nach.

    3. Mal langsam! Der Ketzer Jan Hus, Vorläufer des M. Luther, war kein "Reformator" sondern eben ein Ketzer und Häretiker und erhielt die rechtmäßige Strafe für einen unbelehrbaren Irrlehrer, keine Spur von einem "Justizmord ". Er hätte nur seine Häresien widerrufen müssen, dann wäre er nicht verbrannt worden. Worauf hin seine Anhänger Banden bildeten und in Böhmen viele Deutsche ermordeten. Die Hussiten pflegten ein tschechisches, deutschfeindliches Nationalgefühl, ein frühes Beispiel dafür, daß mehre Nationen in e i n e m Staat nicht gut tun. Sie siegten in einigen Schlachten, bekamen aber nie auch nur Böhmen ganz in ihre Gewalt. In deutsche Nachbarländer fielen sie ein und eroberten und plünderten sogar einige kleinere deutsche Städte, hatten aber kein klares Kriegsziel und verschwanden schließlich im Nichts.
      Es fällt auf, daß "Compact" Verunglimpfungen Gottes und seiner Kirche häufig Raum bietet.

    4. Eine wundervolle Stadt ist Prag, ich kenne jeden Winkel noch aus der Zeit des „Eisernen Vorhangs“!
      Heute hat sich alles verändert und eine gute Freundin, die heute nicht mehr in Prag lebt, sie sagte zu mir als ich sie eingeladen hatte nach Prag zu fahren – „es sind die selben Köpfe wie früher in allen Ämtern“ und deshalb hat sie keine Lust ihre Heimat zu besuchen!
      Das heißt etwas, wenn man es von Tschechen gesagt bekommt.