Auch 120 Jahre nach seinem Tod sind Nietzsches Leben und Werk keineswegs zu Ende erzählt. Die Kunsthistorikerin Sue Prideaux unternahm kürzlich einen neuen Versuch. Das meisterhafte Resultat, „Ich bin Dynamit – Das Leben des Friedrich Nietzsche“, ist jetzt auf Deutsch erschienen und kann im COMPACT-Shop bestellt werden.
„Ich bin Dynamit!“ – diese Selbstbeschreibung stammt von einem frühpensionierten Professor, den die Einwohner von Turin als liebenswürdigen Sonderling kannten. Als jemanden, der aufgrund seiner Kurzsichtigkeit wie ein Verlorener wirkte, aber durch formvollendete Höflichkeit die Zuneigung seiner Umgebung gewann.
Die Turiner wären erschrocken, hätten sie gewusst, dass sich hinter dieser Fassade ein intellektueller Hooligan verbarg. Ein Verzweifelter, der seine Botschaft vom Tode Gottes und der Morgenröte des Übermenschen in grellen Farben auf die Schutzwälle des abendländischen Geistes sprayte. Der den abendländischen Nihilismus in voller Konsequenz zu Ende dachte.
Nein, wir sind noch lange nicht mit Friedrich Nietzsche fertig. Nachdem ihm 1888 der Atem ausging, „wirkt alle Philosophie und Theologie wie eine lange Atempause“. Und trotz biographischer Monumente über Person und Werk, wie die von Lou Andreas Salome oder von Curt Paul Janz, ist seine Geschichte immer noch nicht auserzählt. Das Rätsel dieses Menschen verlangt weitere Klärung.
Vor zwei Jahren startete die Kunsthistorikerin Sue Prideaux einen solchen Versuch, der jetzt ins Deutsche übersetzt wurde: „Ich bin Dynamit – Das Leben des Friedrich Nietzsche“. Was gelingt der Autorin? Nun, nicht weniger als ein Leben, seine Stationen, seine Szenarien so anschaulich, plastisch zu beschreiben, dass der Leser sich unmittelbar hineinversetzt fühlt. Superfood für das Kopfkino, aber ohne Abrutscher in das Genre der „Romanbiographie“. Die Beschreibung bleibt streng fundiert auf Dokumenten, wurde aber durch Intuition zum Leben erweckt.
Auch berichtet Prideaux über Erzählungen und Mythen, die damalige Schauplätze (wie die Schweizer Pilatus-Schlucht) noch umgaben – was ihre Inspirationskraft auf Nietzsche um ein Mehrfaches verdeutlicht. Dabei beweist sie jenen leichten Stil, den der Philosoph bei französischen Schriftstellern so bewundert hatte.
Ein weiteres Plus: Die Autorin schildert – ganz im Sinne der Shakespeare-Dramaturgie – alle Protagonisten und ihre Perspektiven fair, ohne Wertung oder rückwirkende Besserwisserei. Gleiches gilt für die souveräne Darstellung von Nietzsches Gedankenwelt. Keine akademischen Eitelkeiten, keine ideologische Brille, keine zwanghaft durchgedrückte These, sondern ein unverkrampftes Durchdringen, das kleinste Brüche und Wendungen aufspürt und dabei auch den Skandal der Editionsgeschichte durch Nietzsches Schwester Elisabeth erläutert.
Fazit: Gewinnbringende Lektüre für Neugierige, Einsteiger und Fachleute. Oder wie Sarah Bakewell, sagte: „So wie diese sollte jede Biographie sein – fesselnd, intelligent, bewegend. Einfach ein Knaller“
Sue Prideaux: „Ich bin Dynamit. Das Leben des Friedrich Nietzsche“. Jetzt im COMPACT-Shop.