Sechs Tage auf einer kleinen Insel, angewiesen auf Brackwasser und Brennnesselsalat: Was tut man nicht alles, um sich Kompetenzen für die Bewältigung von Krisensituationen anzueignen? Gute Ratgeber zum Thema Selbstversorgung, Survival und Krisenvorsorge finden Sie hier.

    _ von Marc Triarius

    Drei Wochen vor dem Kursbeginn schickten uns die Trainer einen speziellen Packplan: Neben persönlicher Kleidung, Regenkleidung, einem Paar Ersatzschuhe und zwei Litern Wasser waren lediglich dreieinhalb Kilo Ausrüstung erlaubt, die frei wählbar war. So ist es auch dem legendären „Survival-Handbuch der Navy SEALs“ von Ex-Elitesoldat Clint Emerson zu entnehmen.

    Aber mit Rucksack, Messer, Wasserfilter, Survival Kit, Wintermütze, Sanitätsmaterial, Flöffel, Kälteschutzjacke, Biwaksack, Stofftaschentuch und Handschuhen kam ich schon auf vier Kilo! Verdammte Axt – sogar die zwei Seitentaschen vom großen Rucksack wogen schon 500 Gramm. Also musste der Biwaksack weichen. Ich besorgte mir stattdessen einen robusten Müllbeutel und füllte ihn mit Trockenfleisch.

    Einige interpretierten die Regeln auf unrealistische Weise um: Beispielsweise zogen sie bei der Gepäckkontrolle trotz der Sommerhitze mehrere Pullis an. Ich hätte durch die Benutzung meiner Einsatzkampfjacke auch die 500 Gramm für die Seitentaschen sparen können, wollte das pädagogische Konzept – Verzicht auf unnötige Ausrüstung – aber nicht selbst unterlaufen.

    Frieren unter freiem Himmel

    Die Teilnehmer waren eine bunt gemischte Truppe im Alter von 18 bis 70 Jahren. Die einzige Gemeinsamkeit war der biodeutsche Hintergrund und eine Affinität zu verschiedensten Outdoor-Hobbys. Loki und David, die Trainer, waren – obwohl ungedient und aus der heilpraktischen Ecke kommend – alles andere als weltfremd, sie bieten auch Kurse für Krisengebiete an.

    Am ersten Tag teilten wir uns in zwei Gruppen auf, um die Insel zu erkunden. Geeignete Lagerplätze wurden vorgestellt, davon einer per Abstimmung ausgewählt. Dort hoben wir eine Feuerstelle und eine Latrine aus. Die erste Nacht schliefen wir ohne Anleitung draußen – ich zog mir einfach meine Jacke und meine Wintermütze an und legte mich auf den Boden. Viele besorgten sich Stroh von der nahegelegenen Weide.

    Solche Notfall-Feuerstarter auf Magnesiumbasis gibt‘s im Survival-Shop schon ab einem Euro. Foto: josefkubes / Shutterstock.com

    Am zweiten Tag erwachten die meisten Teilnehmer verfroren, aber aufnahmefähig genug für die folgenden Lektionen. Die Trainer zeigten uns Outdoor-Knoten und den richtigen Umgang mit Werkzeugen, insbesondere Beil und Messer. Dazu gab es Unterweisungen wie in Lars Konareks Selbstverteidigungs-Handbuch „Freie Waffen für den Eigenschutz“.

    Anschließend stellten sie uns verschiedene Einzelunterkunftsarten zum Selberbauen vor. Ich entschied mich für eine freistehende dreieckförmige Version, nur aus Hölzern und Laub. Das war arbeitsintensiv und im Ergebnis nur bedingt schützend. Sorgfalt ist Trumpf…

    Abends wurden wir wieder aufgeteilt – die Hälfte ging mit Loki Pflanzen sammeln, die andere mit David angeln. Wir ernteten viele Brennnesselblätter und -samen, dazu eine große Menge Eicheln und ein wenig anderes Grünzeug für den Salat am Abend – wie fast jede pflanzliche Notnahrung bitter, aber essbar.

    Die anderen Teilnehmer fingen zehn Kleinfische – schmeckte okay, war aber nicht besonders nahrhaft. Hätten Sie sich nur den Ratgeber „Tierische Notnahrung“ von Outdoor-Koryphäe Johannes Vogel gelesen, dann wären Sie auf bessere Ideen fürs Abendbot in freier Wildbahn gekommen

    An dritten Tag litt ich an Salzmangel, der sich durch Kopfschmerzen und eine sehr geringe Ausdauer und Konzentration bemerkbar machte. Zwischendurch arbeitete ich weiter an meiner Unterkunft, aber nach einer halben Minute Sägen hatte ich keinen Atem mehr und nach jeweils fünf Ästen keine Lust mehr zum Sammeln…

    Dadurch wurde die Arbeit sehr ineffektiv. Vormittags übten wir den Umgang mit Karte und Kompass: Die Teilnehmer mussten sich bei starker Hitze querfeldein mittels Marschkompasszahl bewegen. Zu den üblichen Beschwernissen in der freien Natur (Zecken, Dornen, Löcher, Insekten…) kamen noch elektrische Zäune und übermütige Weidetiere hinzu. Ein Pferd wollte meine Karte essen, aber das wusste ich zum Glück zu verhindern. Ich kam jedes Mal nur mit einer Abweichung von etwa 15 Prozent ins Ziel, da das Gelände teilweise stark durchschnitten war.

    Kämpfen und töten

    Nach der Mittagspause hielten wir den ersten Selbstverteidigungkurs ab – es ging um Sicherheitsabstände und Vorkampfsituationen. Ich war überrascht, wie viel Energie ich trotz Wasser-, Salz- und Nahrungsmangels noch aufwenden konnte. Abends gelang es uns, einen Barsch zu fangen. Ich musste ihn ausnehmen – was mir den Appetit für den ganzen Abend verdarb. Aber es gab eh wieder nur bitteren Salat und zwei Fische für die ganze Gruppe.

    Tag vier begann wieder mit Selbstverteidigung – wir übten korrekte Schlag- und Tritttechnik inklusive korrekter Abstände – das A und O, wie jeder weiß, der Konareks „Freie Waffen für den Eigenschutz“ gelesen hat. Dann vermittelten uns die Trainer einiges zur Feuerkunde, der Schwerpunkt lag auf behelfsmäßigen Mitteln. Mein Zunder – frisch abgerissener Flaum von einer bestimmten Pflanzensorte – taugte leider nicht viel.

    Erst vermischt mit Stroh war er geeignet, den Funken aufzunehmen und so ein Feuer (Definition: drei Minuten Brand) zu entfachen. Danach schnitzten wir Löffel, Schüsseln und ein Feuerbohrset. Anschließend unterrichteten uns die Trainer in der Wasseraufbereitung mit fertigen und behelfsmäßigen Filtern. Erkenntnis: Die typischen Eigenkonstruktionen aus Sand, Kies und Holzkohle sind wenig effektiv.

    Später bereiteten wir die Eicheln zu und legten sie zermahlen in Wasser, damit sie am nächsten Tag essbar wären. Zu guter Letzt schlachteten wir ein paar Tauben, einen Hahn sowie ein Kaninchen. Loki vermittelte uns ein vernünftiges Ethos: Tiere sind mit Respekt und Entschlossenheit zu töten. Bis auf den Hahn gelang es uns auch auf Anhieb. Die Tiere wurden ohne Aufsicht durch einen Metzger oder Veterinär ausgenommen, was ich im Nachhinein kritisch sehe.

    Immer auf Kurs bleiben. Foto: No machine-readable author provided. Jaypee assumed,CC BY-SA 3.0 Wikimedia Commons

    Der fünfte Tag fing mit der Überquerung eines Seilstegs an. Dazu teilten uns die Trainer neu ein. Meine Gruppe schaffte es nicht, sich zu strukturieren, und dadurch kommunizierten wir auch nicht richtig, sodass wir im Vergleich zu den anderen wesentlich länger brauchten. Als nächstes sollten wir durch einen Sumpf waten. Die meisten Teilnehmer ekelten sich total davor; ich hatte damit prinzipiell kein Problem, fragte mich aber nach dem Sinn. «Damit wir was Cooles zum Angeben daheim haben», meinte David.

    Nach den ersten Metern im Morast sanken wir zum Teil hüfttief ein. Anschließend schwammen wir durch echt kaltes Wasser. Da ich unterzuckert war, wollte ich zügig durch, damit mir der Kreislauf nicht absäuft. Nur blöd, dass in diesem Moment gleich zwei Teilnehmer einen Notfall simulierten und sich alle um sie scharten und mir den Weg versperrten.

    Ich schob sie weg und schwamm weiter. Zu viele Köche verderben den Brei, speziell bei solchen Geschichten. Dann sollten wir wieder zurück mit den Patienten. Fuck! Also umgedreht. Die Anderen waren mittlerweile auch angelandet. Nach der Verwundeteneinlage und dem Wiederaufwärmen in der Sonne mussten wir dann noch einmal in den Sumpf.

    Anschließend wieder Schnitzstunde und Selbstverteidigung: Es ging darum, sich «entspannt» schlagen zu lassen: Der Verteidiger kriegt vom Angreifer leichte Hiebe ab und soll dabei ausatmen. Gute Übung, bekämpft Hemmungen und den Schock während des Kampfes! Überhaupt ging es immer wieder darum, durch kontrollierte, entspannte Atmung Probleme zu minimieren. Abends erneute Notspeisung: Ich vermied das Pflaumenmus wegen seiner abführenden Wirkung, füllte mir aber den geschrumpften Magen ausgiebig mit leckerem Eichelbrot. Endlich wieder genug Zucker im Blut!

    Über Stein und Stacheldraht

    Am sechsten Tag hielten wir die Selbstverteidigungseinheit während eines Unwetters ab. Danach umschwammen wir die Insel – drei Kilometer ohne Pause. Dafür brauchten wir 140 Minuten und hatten lediglich einen Ausfall aufgrund von Unterkühlung. Ein Teilnehmer, der sich am Vortag mit dem Schnitzmesser stark verletzt hatte, wollte in der Zwischenzeit eigentlich ein Feuer machen, hat es aber dann doch nicht getan. Fanden wir super, als wir leicht unterkühlt wortwörtlich an Land krochen und der Wind blies…

    Am Nachmittag fand das Abschlussszenario statt: Verwundetenversorgung und -transport mittels Karte und Kompass, quer durch einen Weiher und elektrische Zäune, im Wettkampf gegen die andere Gruppe. Wir gewannen das Duell und damit einen Kasten Bier sowie Zugang zu einem Garten, den wir fünf Minuten lang nach Herzenslust plündern durften. Aus der Schubkarre voller Gemüse und Obst entstand ein leckerer Eintopf.

    Überleben in der freien Wildbahn: Ein Thema nicht nur für Outdoor-Freunde. Foto: Salienko Evgenii | Shutterstock.com

    Am Abschlusstag bauten wir zunächst das Lager und die Unterkünfte komplett zurück. Anschließend beluden wir das Floß, das zwei Teilnehmer in den letzten Tagen aus Regentonnen, Tauen und Ästen angefertigt hatten (Handwerker olé!). Damit überquerten wir die drei Kilometer zum anderen Ufer. An Land zerlegten wir unser Transportmittel und hielten ein ausgiebiges Festmahl. Ich habe noch nie so schnell vier Laibe Brot verschwinden sehen. Die Chips mit ihrer Chemie rissen mir nach sechs Tagen Seewasser und Naturnahrung schier die Mundschleimhaut auf. Daheim stellte ich fest, dass ich sechs Kilo abgenommen hatte.

    Fazit: Durch meine langjährige Militär-, Bushcrafting- und Airsofterfahrung waren manche Zielstellungen des Lehrgangs für mich überflüssig. Schließlich war ich ja zusätzlich auch noch durch Fachliteratur wie das „Survival-Handbuch der Navy SEALs“ vorgebildet.

    So war etwa die Erkenntnis, dass Frieren, behelfsmäßige Unterkünfte und Insekten nicht so schlimm sind, für mich ganz banal. Neues konnte ich hingegen beim Thema Naturnahrung mitnehmen, denn ich hatte vorher noch nie geangelt geschweige denn einen Fisch ausgenommen, war noch nie bei einer Schlachtung dabei gewesen, und meine Kenntnisse über Wildpflanzen waren fast bei null. Und: Seit dem Kurs nehme ich viel weniger Zucker und Chemie zu mir, werde keine Cola und stark zuckerhaltige Süßigkeiten mehr kaufen.

    Sie sind auf den Geschmack gekommen und wollen selbst einmal Outdoor und Survival probieren? Gute Einstiegslektüre zum Thema – wie die im Text genannten Ratgeber „Survival-Handbuch der Navy SEALs“, „Freie Waffen für den Eigenschutz“ oder „Pflanzliche Notnahrung“ – finden Sie hier in unserem Online-Shop.

     

    3 Kommentare

    1. bitte Löschen am

      Wann bekommen wir endlich unter jedem Artikel einen Like Button…

    2. bessernicht am

      Stay at home ist der einzig wirkliche Rat – und die Möglichkeit – auch Ultima Ratio zu kämpfen (verteidigen) – dazu muss man innerlich bereit sein.

    3. Spionageabwehr am

      Das ist auf jeden Fall sinnvoll

      Vor allem ein Refugium mit Vorräten.
      Nächstes Jahr ist dann Wiederaufbau.